
veröffentlicht: 04.12.2020
Da tauchen sie plötzlich wieder auf: Omas Nierentische, längliche Sideboards auf grazilen Füßchen, Spiegel in Messingrahmen und große Bodenvasen mit buschigem Pampasgras. Was auf der einen Seite an Omas Wohnzimmer erinnert, findet auf der anderen Seite wieder Einzug in unseren Alltag. Denn der Stil der 50er/60er-Jahre ist dank seiner Funktionalität und Leichtigkeit, damals wie heute elegant und daher zeitlos.
Um den Stil des Mid-Century aber nicht wirken zu lassen wie eine Filmkulisse eines Heinz-Erhardt-Films, liegt der Schlüssel darin, die Geschichte zu verstehen und das Design neu zu interpretieren.
Wie? Das verraten wir!
Mid-Century – Leichtigkeit und Eleganz
In kaum einer Epoche veränderte sich das Möbeldesign so enorm wie mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Zum einen wurde die Möbelherstellung zunehmend industrialisiert und zum anderen wichen die schweren Massivholzmöbel neuen Materialkombinationen. Holz, Metall und Kunststoff ließen Möbel zierlicher und transparenter wirken.
Und so kommt es, dass eine der wichtigsten Zutaten des Mid-Century Stils eine gewisse Leichtigkeit ist. Welcher Art auch das Möbelstück sein mag, Sofa, Schrank, Kommode oder Schreibtisch, keinesfalls darf es eines: massiv wirken!
Um dies zu umgehen, aber dennoch ausreichend Platz und Funktionalität zu gewährleisten, bedienen sich Mid-Century Möbel eines Tricks: luftige Höhe.
Selbst große Kastenmöbel stehen auf schlanken, meist konisch zulaufenden Möbelfüßen. Naturbelassenes Holz, schwarz lackiert oder mit Metallbeschlägen versehen, die dünnen Beinchen lassen die Möbel schnell graziler wirken und verleihen ihnen eine unaufdringliche Eleganz.
Was bedeutet Mid-Century?
Die Vorarbeit für den Mid-Century leistete zweifellos Walter Gropius’ Bauhaus. Gemäß dem Leitspruch „Form follows function“, entwickelten hier zahlreiche Kunst- und Designstudenten eine neue Art des Produkt- und Möbeldesigns, die bis heute Designikonen und Klassiker hervorbrachte.
Nach der Aufgabe des Bauhaus’ 1933 aufgrund der zu stark gewordenen Repressionen der nationalsozialistischen Regierung, zog es viele ehemalige Studenten und Absolventen ins Ausland. Besonders die USA galten als Mekka des modernen Designs und der Architektur.
Nach Kriegsende bildeten sich in den USA die stärksten Designeinflüsse heraus, die Wirtschaft boomte und die Konsumlust der Bürger nahm rasant zu. Die wiederentdeckte Lebensfreude spiegelte sich in den leichten und teils schwungvollen Designs der Nachkriegszeit. Diese Entwicklung erreichte kurze Zeit später Skandinavien und Italien, die zu europäischen Design-Zentren aufstiegen. Der Begriff Danish Design wird daher häufig mit dem Mid-Century gleichgesetzt.
Was ist typisch für den Mid-Century Stil?
Wer den Mid-Century einmal kennengelernt hat, wird ihn immer wieder erkennen.
Besonders auffällig sind seine klaren Linien, kombiniert mit sanften organischen Kurven.
Das klassische Mid-Century Sideboard fällt besonders durch seine lang gezogene Form ins Auge.
Die Frontgestaltung kann komplett geschlossen, aber auch teils geöffnet sein. Längliche, schmale Schubladen und Türen werden häufig miteinander kombiniert und mit organisch geformten Metallknäufen akzentuiert.
Typische Materialien sind dunkle Hölzer wie Teak, Eiche oder Kirsche, Glasoberflächen sowie Beschläge aus Messing oder Aluminium.
Ein besonders auffälliges Stilmittel sind die schmalen Beine, die entweder gerade oder leicht asymmetrisch nach außen gestellt sind.
Moderne Neuauflagen des Stils verbinden die natürliche Farbe des Holzes mit grafisch gestalteten Fronten oder farblich abgesetzten Elementen in Weiß oder Grau.
Wie richte ich mich im Mid-Century Stil ein?
Um den Mid-Century Stil in Ihr Zuhause zu holen, braucht es nicht viel. Sie müssen sich nicht gleich ein neues Sofa, ein komplettes Schlafzimmer und somit ein ganzes Makeover kreieren.
Lampen schaffen Atmosphäre
Einen ersten 50's-Flair erreicht man schon mit kleinen Dingen. Trendige Lampen im Mid-Century beispielsweise lassen sich im Handumdrehen integrieren. Wie wäre es mit einer Stehleuchte im Stil der berühmten Grasshopper-Lampe der schwedischen DesignerinGreta Grossman oder einer Tischleuchte mit rundem Glasschirm und Messingsockel? Dazu können auch Kissen und Bilder mit grafischen Mustern in Schwarz-Weiß oder softem Retro-Gelb kombiniert werden.
Kleinmöbel und Couchtische als wichtige Stilelemente
Beliebt sind zudem Couchtische im Stil klassischer Nierentische. Auch moderne Varianten mit runden Tischplatten und Retrobeinen bringen den Flair der 50er-Jahre in Ihr Wohnzimmer.
Kleinmöbel wie Beistelltische, Konsolen oder Sessel im Mid-Century Look lassen sich wunderbar mit modernen Großmöbeln kombinieren und setzen besondere Akzente.
Regale im Mid-Century - stilschaffender Stauraum
Modern und beliebt sind derzeit Wandregale im Stil der String Regale. Das modulare Regalsystem überzeugt heute wie damals durch seine Flexibilität und Vielseitigkeit. Bestehend aus einem dünnen Metallrahmen in Gitterform und schlichten Teakholzböden lassen sich aus dem Regalsystem ganze Wände, aber auch kleine Stauraumeinheiten schaffen. Inzwischen gibt es auf dem Markt viele Regale, die das klassische String-Regal neuinterpretieren und in moderne Kunstwerke umgewandelt haben.
Die Deko macht's
Dekoelemente schaffen schnell und kostengünstig Atmosphäre und ändern den Look eines Raumes im Nu. Setzen Sie beim Mid-Century Look auf messingfarbene und schlichte Kerzenständer, kleine Wandspiegelgruppen in organischen Formen. Moderne Drucke in messing- oder alufarbenen Rahmen, Samtkissen, Holz-Figuren wie die des dänischen Designers Kay Bojesen. Auch Teppiche aus Sisal oder Jute, kuschlige Flokatis oder Teppiche mit grafischen Mustern unterstreichen den Stil.
Mid-Century in Farbe
Obwohl viele die 50er-Jahre aus bekannten Schwarz-Weiß-Filmen kennen, strotze diese Zeit nur so von Farbe. Kaum eine andere Einrichtungsepoche war so bunt und gemustert wie das Mid-Century.
Neben den Klassikern Schwarz und Weiß zählten kräftige Farben wie Gelb, Orange, Petrol, Waldgrün oder Senfgelb zu den Trendtönen der Jahre. Obwohl sie heutzutage in der Mode wieder auftauchen, gibt es doch nur wenige Menschen, die den Mut haben, auch in der Einrichtung Farbe zu zeigen. Doch gerade hier bewirken Muster und Farben wahre Wunder und können die Raumwirkung schnell und günstig verändern.
Mittlerweile findet man auch wieder viele Designtapeten, die bekannte Muster wie Kreise, Zwiebelmuster und Quadrate grafisch und farblich aufbereiten. Einen ganzen Raum damit zu tapezieren wirkt oft zu überladen, an einer einzelnen Wand wird die Tapete dagegen zu einem Blickfang. Über Eck tapeziert können Sie mit einer Retrotapete auch eine ganze Leseecke im 50’s Look gestalten. Versuchen Sie’s, Ihr Mut wird sich auszahlen!
Designklassiker passen immer
Kaum eine Zeit hat so viele Einrichtungsklassiker hervorgebracht wie das Bauhaus und das Mid-Century. Stühle wie der DSW Chair von Charles Eames, das Olsen Lounge Sofa oder Der Egg-Chair gehören ebenso dazu wie Finn Juhls FD532 Esstisch.
Wer nicht das Glück hat, diese Klassiker auf dem Dachboden zu finden oder vererbt zu bekommen, dem bieten sich moderne Neuauflagen und Adaptionen. Dank der geradlinigen und zeitlosen Formen lassen sich diese Möbel spielend leicht mit anderen Möbeln kombinieren oder als Einzelstück in Szene setzen. Und genau davon lebt der Mid-Century Modern Stil – Kombinieren, ausprobieren, neuinterpretieren und Spaß daran haben!